Vorwürfe gegen Nanak Dev Singh
In Folge der neuen Erkenntnisse und Untersuchungen über Yogi Bhajan melden sich viele zu Wort, und Gott sei Dank wird Unterschiedlichstes deutlich, das bislang verschwiegen und auch vertuscht wurde. Es stehen jetzt unabhängige Prüfungen solcher Aussagen an. Vielen Kundalini Yogis, die einfach die Techniken genutzt haben und von all dem nichts wussten, wird klar, dass solche Aussagen schon lange hätten gehört werden und aufrichtig auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden müssen. Die Wahrheit hat viele Facetten und Schichten; bislang haben wir in 3HO leider zu viele zu Positive gehört; nun kippt die Geschichte gerade ins Gegenteil, und wir müssen beginnen, zu sortieren, wer aus welcher Motivaltion was sagt. Natürlicherweise gibt es zurzeit auch Veröffentlichungen, die ungefiltert alle je geäußerten negativen, auch möglicherweise überzeichneten Darstellungen als bare Münze darstellen, und ein differenziertes wahrhaftiges Bild wird sich erst im Laufe der Zeit ergeben.
Auch gegen meinen Gonglehrer Nanak Dev Singh Khalsa sind nun Vorwürfe laut geworden. Es heißt, er habe in den 70-er-Jahren in einem indischen Internat, auf welches Kinder der Kundalini Yoga-Gemeinschaft geschickt wurden, als launischer Lehrer in mehr als einem Fall Heranwachsende misshandelt. Dies sei in einer ohnehin häufig strengen, züchtigenden und erniedrigenden Atmosphäre dieser Schule geschehen, welche sicherlich nicht westlichen Erziehungs-Standards, auch nicht der damaligen Zeit, entsprach. Eine besonders drastische Erzählung stammt nicht von der Betroffenen selbst, sondern von dritten.
Dass es offenbar Anlass zu solchen Erzählungen gibt, macht mich sehr traurig und verwirrt. Ich wünsche mir sehr, dass diese Behauptungen aufgeklärt werden, zusammen mit all den anderen auftauchenden Berichten aus der Kundalini Yoga Gemeinschaft. Es ist sehr wichtig, dass diese Erzählungen ernst genommen werden. Ich wünsche mir, dass Betroffene selbst, und direkte Augenzeugen, zu Wort kommen. Möge die Wahrheit aller Seiten ans Licht kommen.
Könnte ich bloß noch Nanak Dev Singh direkt dazu fragen! Ich erinnere, dass er die Zeit in dieser Schule erwähnt hat. Er muss wohl in seinen späten Zwanzigern gewesen sein und damals sehr unter Yogi Bhajans Autorität, der ihn zu diesem Zweck von heute auf morgen nach Indien schickte. Ohne etwas entschuldigen zu wollen: Eine pädagogische Ausbildung hatte er wohl nicht, sondern war Sportler und Sinnsuchender. Ein überforderndes System, in dem jemand einfach an eine Stelle gesetzt wurde, spielt, scheint mir, in der Erzählung (aber völlig undurchschaubar für die Kinder in seiner Obhut) auch eine Rolle. Und dazu gehört auch eine Überforderung der Kinder durch dieses System, welche viel zu früh von ihren Eltern getrennt wurden. Ich weiß noch, wie Nanak uns erzählte, er sei sehr erleichtert gewesen, das Gatka (Kampfkünste) entdeckt zu haben, um den Kindern mit dieser Übungspraxis einen hilfreichen Entwicklungsweg anbieten zu können.
In vielen meiner eigenen Erzählungen, in meinen Flyern, Aushängen und dieser Website habe ich mich immer wieder auf Nanak Dev Singh bezogen, der mir ein sehr wichtiger Lehrer war; von dem ich alle Grundlagen für meine Arbeit mit dem Gong gelernt habe (abgesehen von meinem psychotherapeutischen Wissen), und darüber hinaus viel Weisheit. Er war mir eine Vaterfigur, und ich habe ihn sehr geliebt (nein, ohne sexuelle Komponente). Die oben genannten Berichte sind so krass, dass ich als Heilerin nach Yogi Bhajans auch seinen Namen aus meinen Veröffentlichungen herausnehmen werde. Anders als bei Yogi Bhajan fällt es mir schwer: ein bisschen stirbt er für mich ein zweites mal. Dennoch behalte ich für mich alle guten Erinnerungen und Inspirationen in meinem Herzen. Nanak hat nie von mir verlangt, meine Gongmeditationen "as taught by Nanak Dev Singh" zu titulieren; im Gegenteil wollte er, dass ich durch meine Persönlichkeit lehre und selbst ein offener Kanal für den Energiestrom sei.
Übrigens hat Nanak zu den Zeiten, in denen ich ihn gekannt habe (seit 2001), nie behauptet oder ausgestrahlt, ein Heiliger zu sein. Ich kenne ihn als völlig unprätentiös, direkt, menschlich. In seinen späten Jahren hat er sich sehr für die Heilung von Traumatisierung, besonders auch von Wunden aus der Kindheit, eingesetzt. Das Gong Rebirthing-Konzept, welches er uns zuletzt gelehrt hat, war besonders hierzu konzipiert. Ich hoffe, wenn die oben genannten Berichte wahr sein sollten, dass er dadurch einen gewissen Ausgleich hat schaffen können.
Sofort nachdem ich von diesen Erzählungen erfahren habe, habe ich mich an Nanaks Witwe gewandt. Ihr geht es ähnlich wie mir: In den 70-ern war sie nicht dabei und kann nicht wissen, was wirklich geschehen ist. So kann sie es nicht ausschließen und schreibt mir von Verblendungen und Idealisierungen dieser Zeit, die er später schmerzlich ablegte. Und zugleich passt die Erzählung nicht zu der Persönlichkeit, als die sie ihn dann später gekannt hat. Die beiden haben keine gemeinsamen Kinder; sie schreibt mir aber, sie hätte ihm ihre Kinder jederzeit anvertraut, und sie bereue keine Minute, die sie mit ihm verbracht hat. Sie schreibt mir auch den guten Wunsch, dass mich meine Schüler nie auf einen Podest stellen; denn es sei schwer, idealistischen Vorstellungen gerecht zu werden, da wir alle unsere Schattenseiten haben.
Für meine Arbeit mit dem Gong brauche ich es essenziell nicht mehr, mich auf einen Lehrer zu beziehen, sondern ausschließlich und direkt auf die Wahrheit und Unendlichkeit. Die Wahrheit, so sagte Nanak in seinem letzten Jahr auf der europäischen Yogafestival-Bühne, sei die einzige Kraft, die stärker sei als die Zeit. Denn sie überdauert die Zeiten. Also tue man gut daran, ein wahrhaftiger Mensch zu werden.
Möge sich die Wahrheit zeigen. Mögen wir alle für Wissen und Wahrheit stehen, die Motivation unserer Worte und unseres Handelns nach bestem Wissen offen legen. Mögen alte Wunden heilen.